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  • Hadil Doudieh

Antimuslimischer Rassismus gestern und heute

Angst, Wut und Verwirrung. Diese Gefühle wurden bei den Schlagzeilen der letzten Monate ausgelöst. Es sind bloß Worte, mal auf Papier gedruckt, mal digital, mal etwas sachlich und mal dramatischer, doch mit Sicherheit ein Grund zur Sorge. „Im großen Stil abschieben“ [1], geleakte Geheimpläne über Remigration [2] oder die Wahl zwischen den Juden oder den Aggro-Arabern [3], die den Diskurs um antimuslimischen Rassismus (AMR) in Deutschland mitbestimmten. Die eingeblendeten Bilder sorgten auch bei den Teilnehmenden für beunruhigte Gesichtsausdrücke.  Unser Online-Event  am 18.03. schaffte einen „Safe-Space“, ohne transphobe, homophobe, antisemitische oder antimuslimische Anfeindungen. Eine Selbstverständlichkeit, die beim Blick auf die aktuelle Lage keine zu sein scheint. Aus diesem Grund und im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus vom 11. - 24.04.2024 beschäftigte sich Erdal Tekin - Vorstandsvorsitzender des Aelius Förderwerks - mit dieser Problematik und bot mit seinem Vortrag über AMR einen beängstigenden, doch auch eben realitätsnahen Überblick zu der Thematik. 


Erdals Worte hatten durchaus einen beunruhigenden Nachhall. Zusammen mit dem Aelius Förderwerk nahm er sich der sicherlich nicht freudigen Aufgabe an, einen Überblick über den aktuellen AMR zu schaffen. 


Eine kurze Reise zu den Ursprüngen.

Es ging zurück ins 20. Jahrhundert, um genau zu sein just nach dem 2. Weltkrieg, als die verfälschte Lehre der Rassentheorie mit der Ermordung von sechs Millionen Juden und Jüdinnen, mehreren Hunderttausenden Sinti*zze und Rom*nja und homosexuellen Menschen ihren Höhepunkt erreichte [4]. Nach 1947 war sich die Menschheit in Europa einig: Die ausgrenzende biologische Rassentheorie wurde diskreditiert und ein Haken dahinter gesetzt. Kultur, Nation und Volk sollen die Idee der ‚Rasse‘ ersetzen und die hierarchische Ordnung von Menschen soll nur noch in Geschichtsbüchern existieren. 

Auch in der weiter zurückliegenden Geschichte finden sich Wurzeln von AMR, der sich in den Abläufen des europäischen Rassismus im Mittelalter und der frühen Moderne widerspiegelt [5]. Im Mittelalter angekommen, wurden Muslime als ‚Ketzer‘ und ‚Antichristen‘ bezeichnet. Im Zuge der Reconquista, der Rückeroberung der iberischen Halbinsel (722-1492), fanden sich die muslimischen Menschen durch Zwangskonversionen, Vertreibung und Ausgrenzung am Rande der Gesellschaft wieder. Hierbei markiert die ‚limpieza de sangre‘ die Entstehung des Protorassismus, der auf der Vorstellung von unreinem Blut von jüdischen, muslimischen oder andersgläubigen Menschen basiert. 

Im 18. und 19. Jahrhundert, als Aufklärung und Industrialisierung in Europa die Dynamik formten, entstand die Stereotype des unterentwickelten und verarmten Islams. 


Die Bedeutung im Hier und Jetzt.

Blickt man heute auf Zitate wie: „Bevölkerungsaustausch solchen Tempos […] ist irreversibel und den müssen wir um jeden Preis verhindern.“ (Gauland, AfD Parteitag 2018) erinnert das an die eben geschilderte Angst vor der Verunreinigung des Volkes. Ein resultierender „Volkstod“ wird gefürchtet [6]. Gedankengänge, die dem Zeitgeist der Reconquista verblüffend ähnlich sind. 

Die Wahl auf die Definition AMR wurde durch den geschichtlichen Exkurs nochmals unterstrichen und die Zahlen, die vorliegen, wirken eindringlich. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2019 ist 52 % der deutschen Bevölkerung der Ansicht, dass der Islam bedrohlich ist. Im Verhältnis dazu sehen ihn 36 % als bereichernd an [7]

Ein Schlag ins Gesicht für rund 5 Millionen Muslime in Deutschland, die auf eine homogene Masse herabgestuft werden und mehr zum „ihr“ als „wir“ zugeordnet werden. 


Die größte Dramatik liegt jedoch darin, dass die Betroffenen die Zahlen alltäglich spüren. Ob am Arbeitsplatz, durch unbegründete Polizeikontrollen, in der Gesundheitsbranche oder bei der Wohnungssuche. Der Alltag wird aufgrund von religiösen Symbolen, Haut- oder Haarfarbe anders erlebt, denn die Erfahrungsberichte sprechen für sich [8]


Der Umgang mit AMR als Teil unserer Arbeit.

Mit alltäglicher Diskriminierung hatten auch Mentees von Aelius zu tun, als ein fremder Mann die Minderjährigen in aller Öffentlichkeit - in einer Jugendherberge - zur Rede stellt, wieso sie denn das Kopftuch trügen: „Wieso das Kopftuch? Die Frauen im Iran kämpfen dafür es nicht mehr zu müssen.“ Möglicherweise ein Thema für eine Diskussionsrunde bei Markus Lanz, jedoch nicht unaufgefordert bei fremden Minderjährigen am Frühstücksbuffet. Die Aelius-Kollegschaft scheute im Nachhinein keine Mühe, den Vorfall aufzuarbeiten. Mit den betroffenen Mentees, der Gesamtgruppe, den Ehrenamtlichen, dem diskriminierenden Mann, sowie den Vorständen der involvierten Organisation, der der Mann angehörte.

Und aufgearbeitet wird ständig, ob es Workshops zum Umgang mit Diskriminierung sind oder eben Vorträge, die Wissen vermitteln. 


Was tun gegen AMR?

Was kann man persönlich leisten, um AMR entgegenzuwirken? Der Vortrag schloss mit der Beantwortung dieser Frage ab und zusammenfassend kann man sagen, dass das Wissen um die Existenz von AMR ein Schritt in die richtige Richtung ist. Darüber reden, schreiben, aufklären, darauf aufmerksam machen und anerkennen, welche strukturellen und gesellschaftlichen Probleme behoben werden müssen. 


„Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde.“ Martin Luther King

Zusammen gegen Rassismus und für Menschenwürde

 


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Quellen:

[5] Vgl. Attia (2009)

[6] Höcke und Hennig (2018)


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